Immer mehr Unternehmen beobachten: Junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter greifen lieber zum Chat als zum Hörer. Warum ist das so? Ulrike Bieringer hat mit dem psychologischen Berater, Coach und Organisationsleiter bei Lebenswege Niederösterreich Süd, Thomas Bachmann, über die sogenannte „Call Anxiety“ der Generation Z gesprochen.
Über Thomas Bachmann
- Psychologischer Berater, Coach und Organisationsleiter bei Lebenswege Niederösterreich Süd
- Leitung und Aufbau des Vereins Lebenswege Niederösterreich Süd
- Schwerpunkt: Generationenverständnis, moderne Arbeitswelt, Begleitung von Menschen in schwierigen Lebenssituationen und Abbau von Kommunikationsängsten
- Autor von praxisnahen Fachbeiträgen und Ratgebern zur zwischenmenschlichen Kommunikation
„Ich helfe unter anderen Menschen, ihre Kommunikationsängste abzubauen und Brücken zwischen Generationen zu bauen.“
Thomas Bachmann


Ulrike Bieringer: Thomas, warum telefoniert die Generation Z so ungern?
Thomas Bachmann: „Die meisten jungen Menschen sind mit Smartphones und Social Media groß geworden. Kommunikation findet dort schriftlich und oft asynchron statt. Ein Anruf ist spontan und unmittelbar – genau das löst bei vielen Stress aus.“
Ulrike Bieringer: Welche Folgen hat das im Berufsleben?
Thomas Bachmann: „Es kann zu Verzögerungen, Missverständnissen oder Mehraufwand kommen. Ein Telefonat ist oft der schnellste Weg, Dinge zu klären. Wenn das gemieden wird, stockt der Informationsfluss. Ältere Kolleginnen und Kollegen empfinden das manchmal als ‚nervigste Eigenschaft‘ der jungen Generation.“
Ulrike Bieringer: Ist diese Angst Faulheit oder Unvermögen?
Thomas Bachmann: „Nein, ganz und gar nicht. Es ist eine erlernte Kommunikationskultur. Wer es von klein auf nicht übt, wird unsicher. Das ist kein persönliches Versagen, sondern eine Folge von Gewohnheiten.“
Ulrike Bieringer: Was können Unternehmen tun?
Thomas Bachmann: „Ich empfehle kleine Telefontrainings und Rollenspiele. Mit klaren Leitfäden und Feedback können junge Leute Routine aufbauen. Gleichzeitig sollte man die Vorteile von Textnachrichten anerkennen. Es geht darum, beide Welten zu verbinden.“


Ulrike Bieringer: Gibt es Unterschiede zwischen privaten und beruflichen Telefonaten?
Thomas Bachmann: „Ja, private Gespräche sind oft emotionaler. Berufliche Telefonate wirken formeller und erzeugen deshalb mehr Druck.“
Ulrike Bieringer: Welche Rolle spielt Homeoffice bei diesem Trend?
Thomas Bachmann: „Homeoffice verstärkt Chat-Kommunikation. Telefonate werden seltener, dadurch steigt die Hemmschwelle weiter.“
Ulrike Bieringer: Wie können Führungskräfte Vorbilder sein?
Thomas Bachmann: „Indem sie selbst telefonieren, es positiv vorleben und junge Kolleg*innen gezielt einbinden.“
Ulrike Bieringer: Gibt es Tools, die helfen?
Thomas Bachmann: „Ja, Gesprächsleitfäden, Checklisten oder kurze Vorbereitungsnotizen können Sicherheit geben. Auch Feedback nach dem Telefonat ist wertvoll.“
Ulrike Bieringer: Könnte die Angst vor Telefonaten irgendwann verschwinden?
Thomas Bachmann: „Mit Übung ja. Je normaler Telefonate im Alltag wieder werden, desto weniger Angst.“
Ulrike Bieringer: Was würdest Du jungen Menschen raten, die Telefonate meiden?
Thomas Bachmann: „Klein anfangen, sich vorbereiten und den Druck rausnehmen. Oft merkt man nach wenigen Gesprächen: Es ist gar nicht so schlimm.“


Fazit
„Wenn wir die Hintergründe verstehen, können wir Brücken zwischen Generationen bauen. Aus der Scheu vor Telefonaten kann sogar eine Stärke werden – nämlich bewusster und reflektierter zu kommunizieren“, sagt Thomas Bachmann.
Im Interview: Thomas Bachmann, Organisationsleiter von Lebenswege
Verfasserin: Ulrike Bieringer von Lebenswege

Bild: Ulrike Bieringer