6 Spuren, die die Unsicherheit deiner Eltern in dir hinterlassen hat

Veröffentlicht am 2. September 2025 um 14:44

Die ersten Lebensjahre prägen uns oft stärker, als uns bewusst ist. Eine sichere Bindung zu unseren Bezugspersonen bildet die Grundlage für gesunde Beziehungen und emotionale Stabilität im späteren Leben. Doch nicht jeder hatte das Privileg, diese wertvolle Erfahrung zu machen. Woran kannst du erkennen, dass deine frühen Bindungserfahrungen herausfordernd waren?

Eine sichere Bindung entsteht, wenn Kinder eine liebevolle, verlässliche und einfühlsame Betreuung erhalten. Ihre Bedürfnisse werden wahrgenommen und auf angemessene Weise erfüllt. Bleibt diese Sicherheit aus, kann das oft lebenslange Spuren hinterlassen.

Doch es gibt eine gute Nachricht: „Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit – und das gilt ebenso für unsere Bindungsmuster!“

1.Du reagierst manchmal intensiver, als es die Situation erfordert, selbst bei kleinen Dingen.

Kennst du das? Der Nachbar parkt mal wieder falsch, und du kochst vor Wut. Oder dein Kind weigert sich, in die Kita zu gehen, und du gerätst sofort in Panik? Laut der systemischen Familientherapeutin Carina Thiemann sind solche übermäßigen Reaktionen oft ein Hinweis auf frühe Bindungsverletzungen. Sie erklärt: „Es ist vor allem Verhalten, das in der jeweiligen Situation unverhältnismäßig erscheint.“ Diese intensiven Emotionen deuten darauf hin, dass alte, unverarbeitete Gefühle aus deiner Kindheit aktiviert werden. Dein inneres Kind reagiert mit der gleichen Stärke wie damals, als es sich unsicher oder bedroht fühlte.

2. Fällt es dir schwer, deine Gefühle im Gleichgewicht zu halten?

 

Bist du von intensiven emotionalen Auf- und Abfahrten oft erschöpft? Menschen mit unsicheren Bindungserfahrungen haben häufig nie gelernt, ihre Gefühle eigenständig zu regulieren. Als Kind warst du darauf angewiesen, dass deine Bezugspersonen dich emotional unterstützen: Sie sollten dir Trost spenden und dir dabei helfen, deine Emotionen zu ordnen und zu beruhigen.

 

Hat diese Unterstützung gefehlt, fehlt dir möglicherweise bis heute das innere Werkzeug, um mit überwältigenden Gefühlen umzugehen. Du erlebst dann oft ein extremes Wechselbad zwischen überwältigenden Emotionen und dem völligen Abschalten deiner Gefühlswelt.

 

3. Dein Körper spricht – hör auf seine Warnsignale

 

Rückenschmerzen, Migräne, Verspannungen oder sogar chronische Erkrankungen können oft auf frühe Bindungsverletzungen hinweisen. Wie es so treffend heißt: „Der Körper trägt oft das, was für die Seele zu schwer war.“

Durftest du als Kind deine Gefühle nicht frei ausdrücken oder fehlte es dir an emotionaler Unterstützung? Unverarbeitete Erfahrungen aus der Kindheit speichern sich häufig im Körper ab. Langfristiger Stress durch ein fehlendes Gefühl von Sicherheit kann dabei zu einer Vielzahl körperlicher Beschwerden führen.

4. Warum Konflikte dich besonders hart treffen können

 

Ein Streit mit deinem Partner, weil die Milch vergessen wurde, fühlt sich für dich wie das Ende der Welt an? Besonders für Menschen mit unsicheren Bindungserfahrungen können Konflikte extrem starke Emotionen auslösen. Das liegt oft daran, dass solche Auseinandersetzungen tief verborgene Gefühle von Unsicherheit und Angst vor Verlassenwerden wachrütteln.

Doch was, wenn wir Konflikte als Spiegel betrachten? Als eine Gelegenheit, die weit über die vergessene Milch hinausgeht und uns zeigt, welche tieferliegenden, unerfüllten Bedürfnisse wirklich dahinterstecken? Denn häufig dreht sich der Streit gar nicht um das eigentliche Thema, sondern um alte, ungelöste Verletzungen, die im Verborgenen mitschwingen.

5. Du hast Schwierigkeiten, anderen zu vertrauen

Bindungsunsicherheit zeigt sich oft in zwischenmenschlichen Beziehungen und prägt dein Verhalten. Entweder suchst du verzweifelt die Nähe zu anderen, oder du hältst instinktiv Abstand, aus Angst, verletzt zu werden. Du zweifelst häufig an der Aufrichtigkeit von Liebe und Zuneigung oder deutest neutrale Situationen als Ablehnung. Das ständige Gefühl, nicht genug zu sein oder verlassen zu werden, begleitet dich in Freundschaften sowie Partnerschaften. Echte Nähe erscheint dir gleichzeitig erstrebenswert und beängstigend.

6. Du stellst deine eigenen Bedürfnisse hinten an

Als Kind hast du vielleicht erfahren, dass deine eigenen Bedürfnisse als unwichtig oder störend angesehen wurden. Diese Prägung wirkt bis heute nach: Es fällt dir schwer, deine eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, oder du stellst die der anderen automatisch über deine eigenen. Doch starke Gefühle sind keine Last – sie sind wertvolle Wegweiser. Statt auf diese Hinweise zu hören, hast du möglicherweise gelernt, sie zu unterdrücken. Dabei ist es so wichtig, wieder auf deine innere Stimme zu vertrauen und für dich selbst einzustehen.

„Wenn wir der Spur unserer Gefühle folgen, können wir unglaublich viel über uns selbst erfahren – auch dann, wenn unsere Erinnerungen an das Dort und Damals verblassen.“

Thomas Bachmann 

 

Professionelle Unterstützung kann dir dabei helfen, alte Wunden zu heilen und gesündere Beziehungsmuster aufzubauen. Auch SelbstfürsorgeAchtsamkeitsübungen und die bewusste Arbeit mit deinem inneren Kind können transformative und heilsame Effekte haben. Vergiss nie: Du hast die Macht, dem Kind in dir nachträglich die Liebe und Sicherheit zu schenken, die es damals gebraucht hätte.

Wenn du dich in mehreren der genannten Punkte wiedererkennst, bedeutet das nicht, dass du „kaputt“ bist. Bindungsmuster können verändert werden. Das verdanken wir dem faszinierenden Phänomen der Neuroplastizität unseres Gehirns – der Fähigkeit, sich ein Leben lang neu anzupassen und zu lernen. Besonders spannend: Unser Gehirn unterscheidet nicht zwischen realen Erlebnissen und dem, was wir uns in unserer Vorstellung ausmalen. Das bedeutet zwar nicht, dass wir alte, bindungsprägende oder vielleicht sogar traumatische Erfahrungen einfach löschen können, aber es eröffnet die Möglichkeit, das innere Kind durch aktive Imagination auf heilende Weise nachzunähren.

"Mir ist bewusst, dass es oft einfacher gesagt als getan ist. Doch mit der richtigen Einstellung zum Leben und einer ausgewogenen Selbstfürsorge lassen sich solche Herausforderungen erfolgreich bewältigen!"

Thomas Bachmann 

Verfasser: Thomas Bachmann von Lebenswege 

Bild: Thomas Bachmann